Ein neuer Fund

Vor einiger Zeit habe ich im Stadtarchiv Quedlinburg ein Adressbuch für die Stadt Gernrode im Harz von 1905 ausfindig gemacht. Es ist nur ein dünnes Heft mit rund 60 Seiten, war für eine meiner zahlreichen Recherchen im Bundesland Sachsen-Anhalt aber von großer Wichtigkeit.

Die Salzspeicher in Lübeck: ein grauenvoller Drehort

Öffentlich

Frühe Beispiele von Adressbüchern stammen aus dem späten 18. Jahrhundert. Sie wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts üblich und zwischen den 1920er und 1950er Jahren langsam von Telefonbüchern abgelöst. Für die Familienforschung haben sie verschiedene Vor- und Nachteile. Fangen wir mit den guten Seiten an: Sie sind öffentliche Quellen, d.h. man muss nicht irgendeinen Beamten bitten oder anflehen, die gewünschten Informationen herauszugeben und es gelten keine Datenschutzfristen.

Was sie erzählen können

Voll entwickelte Adressverzeichnisse (z.B. aus größeren Städten um 1910-1950) haben einen alphabetisch sortierten Namensteil und einen weiteren Teil nach Straßen und Hausnummern, in dem alle in einem Haus lebende Haushaltsvorstände aufgeführt sind. Andere Mitglieder wie Ehefrauen, Kinder, Bedienstete oder Untermieter sind nicht aufgeführt. Frauen können nur gefunden werden, wenn sie unverheiratet blieben oder verwitwet waren.

In größeren Städten können die Adressangaben für die Ermittlung des zuständigen Pfarramts oder Standesamts unerlässlich sein. Aufeinanderfolgende Jahrgänge einer Reihe von Jahren können einen Hinweis darauf geben, wann eine Person umgezogen oder gestorben ist usw. In bestimmten Fällen kann die Interpretation von Adressbucheinträgen eine ganze Reihe von Rückschlüssen zulassen und weitere Forschungsmöglichkeiten eröffnen. Dies gilt vor allem für Städte mit einer dichten Tradition, in denen jedes Jahr Adressbücher veröffentlicht wurden.

Marc Jarzebowski vor dem Holstentor

Wo ist die Übersicht?

Die Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle hat eine ganze Reihe von Adressbüchern, vor allem aus Halle, aber auch aus anderen Orten des Landes, digitalisiert und hochgeladen (>Link).
Für kleinere Städte ist dies komplizierter, für ländliche Gebiete noch mehr. Mit anderen Worten: Die Quellenlage für Sachsen-Anhalt ist alles andere als übersichtlich. Umso wichtiger ist es, zu wissen, welche Verzeichnisse vorhanden sind – oder auch nicht – und wo sie zu finden sind.

Der Verein für Computergenealogie

Eine gute Hilfe bei der Suche nach vorhandenen Adressbüchern ist eine  Auflistung des Vereins für Computergenealogie. Es gibt verschiedene Kategorien, die durchsucht werden können und in denen sie a) alphabetisch nach Ort und b) nach Jahr aufgelistet sind: Verzeichnisse, die in einer Bibliothek oder online verfügbar sind. Es gibt auch eine Kategorie von Verzeichnissen nach Bundesländern, so dass auch für Sachsen-Anhalt dort nach dem Alphabet sortiert nachgeschlagen werden kann. Einige der Verzeichnisse sind auf mehr als einer Plattform verfügbar, mit Vor- und Nachteilen, die für Halberstadt zum Beispiel: familysearch.org hat sie kostenlos, aber ancestry.com bietet eine zusätzliche Datenbankabfragefunktion.

Orte und Kreise

Viele Ortsverzeichnisse umfassen auch die umliegenden Gebiete. So sind in den Adressbüchern von Halle 1892-1904 auch die Haushaltsvorstände benachbarter Dörfer aufgeführt. Für einige Landkreise wurden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Kreisverzeichnisse herausgegeben, allerdings meist in größeren als jährlichen Abständen. Sie bezogen sich – natürlich – auf die zeitgenössischen historischen Kreise, nicht auf die modernen.

Die Salzspeicher in Lübeck: ein grauenvoller Drehort

Nachfragen!

Von vielen der einst existierenden Adressbücher für kleinere Orte oder ländliche Kreise, die oft in relativ geringer Auflage gedruckt wurden, sind wohl keine Exemplare erhalten geblieben. Wenn es sie gibt, sind sie am ehesten in Kreis- oder Stadtarchiven zu finden, eventuell auch in örtlichen Bibliotheken. Es kann sich also lohnen, dort nachzufragen.

Online

Das habe ich im Fall von Gernrode getan. Das Adressbuch von 1905 ist in dem Archiv in Quedlinburg auch nicht physisch vorhanden, aber in der Form von Computerscans. Sie wurden wohl einmal von dem Exemplar eines privaten Besitzers angefertigt. Der jetzige Archivmitarbeiter konnte das nicht genau sagen. Aber er war so offen und hilfsbereit, dass er die Scans auf meine Bitte hin dem Verein für Computergenealogie zur Verfügung stellte. Sie stehen dort also seit kurzem allen interessierten Familienforschenden online zur Verfügung, denen diese Quelle sonst verschlossen oder sogar unbekannt geblieben wäre.

Das Adressbuch von Gernrode von 1905 finden Sie hier.

Zu Sachsen-Anhalt lesen Sie auch meinen Beitrag Jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt.