Kirchenstruktur

Brandenburg wurde durch die Reformation stark lutherisch und durch die DDR stark säkularistisch geprägt. Dennoch gab und gibt es in dem Bundesland, das die Hauptstadt Berlin von allen Seiten umschließt, natürlich auch katholische Gemeinden. Die heutige katholische Struktur ist noch sehr jung, beruft sich aber auf alte Traditionen: Das Erzbistum Berlin wurde 1930 gegründet und umfasst Gebiete der mittelalterlichen Diözesen Brandenburg, Havelberg, Kammin und Lebus.

Pfarramt der katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt in Schwedt

Ein Kirchenarchiv ohne Kirchenbücher

Das Bistumsarchiv hat seinen Sitz in Berlin-Kreuzberg am Bethaniendamm und teilt sich Gebäude und Lesesaal mit der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz. Während dort die evangelischen Kirchenbücher aus Brandenburg aber in Mikrofilm-Form flächendeckend vorhanden sind (und zunehmend auch auf der Online-Plattform Archion), beherbergt das katholische Archiv keine Kirchenbücher. Sicherungsverfilmung und Zentralisierung haben dort nie stattgefunden, die Kirchenbücher werden überwiegend in den Pfarrgemeinden aufbewahrt. Dieser Umstand macht den Zugang für die oder den Familienforschenden natürlich schwierig.

In Berlin habe ich schon alles erlebt: Freundliche Pfarrsekretärinnen legten mir alle gewünschten Bände vor, anderswo musste ich monatelang auf Abschriften warten, weil die einzig Zugangsberechtigte, eine Seniorin aus der Gemeinde, aufgrund einer Verletzung die Treppe hinauf zum Büro lange nicht bewältigen konnte.

Späte Gründung

In Brandenburg ist die Situation nicht viel anders. Teile des Bundeslandes liegen übrigens in anderen katholischen Diözesen als der von Berlin, nämlich in denen von Magdeburg und Görlitz. Magdeburg ist immerhin mit einigen wenigen brandenburgischen Kirchenbüchern auf der Online-Plattform Matricula vertreten. Der Leiter des Archivs in Görlitz teilte mir hingegen vor zwei Jahren mit, eine Digitalisierung sei auf absehbare Zeit nicht geplant, weil die meisten Kirchenbücher der erst 1994 gegründeten Diözese ohnehin noch innerhalb der gesetzlichen Schutzfristen lägen. Viele Gemeinden entstanden tatsächlich erst mit dem Zuzug katholischer Arbeitskräfte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, oder noch später mit den Nachkriegsflüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten.

Kirchenbücher im katholischen Pfarramt Schwedt

Fahrt aufs Land

Für eine Recherche in katholischen Kirchenbüchern in Brandenburg bleibt in den meisten Fällen also nur eine Fahrt aufs Land. Vor einigen Wochen habe ich eine solche Fahrt nach Schwedt unternommen, einer Industriestadt an der Oder im östlichen Brandenburg. Eine katholische Gemeinde gab es dort erst seit 1853, die neugotische Kirche St. Mariä Himmelfahrt entstand 1895/98. Ich hatte das Glück, dass der Pfarrsekretär zügig auf meine Anfrage antwortete, mir zeitnah einen Termin anbot und nichts dagegen hatte, dass ich stundenlang in den Kirchenbüchern blätterte.

Kirchenbuch im katholischen Pfarramt Schwedt

Fotos oder keine Fotos?

So konnte ich meine Recherchen über eine Musikerfamilie erfolgreich durchführen und durfte die gefundenen Einträge auch abfotografieren. Das ist oft ein heikler Punkt, denn in vielen Fällen wird das Erstellen von Reproduktionen nicht erlaubt. Die dafür genannten Gründe sind unterschiedlich – Schutz der Kirchenbücher, Schutz persönlicher Daten – und weder konservatorisch noch rechtlich tatsächlich begründet. Da die Gemeinden aber in ihren Räumen das Hausrecht haben und wir es uns mit den Eigentümern der Quellen nicht verscherzen wollen, tun Familienforschende gut daran, ein solches Verbot zu respektieren und stattdessen Abschriften anzufertigen.

Flexibel denken

Wie gesagt, in Schwedt durfte ich fotografieren, ich konnte aber in den Kirchenbüchern einige erwartete Einträge nicht finden. Ich kam mit einer anderen Besucherin ins Gespräch, die sich mit der kleinen katholischen Gemeinde in Schwedt besser auskannte als ich. Ihr kam der von mir gesuchte Familienname völlig fremd vor. War meine Familie also zugereist? Dafür gab es aber weder in den vorhandenen Einträgen noch nach der Kenntnis meiner Auftraggeberin irgendwelche Hinweise. Das Rätsel löste sich noch am selben Abend dank der Kirchenbuchplattform Archion. Denn dort konnte ich ohne den Besuch einer weiteren Gemeinde oder eines Archivs die Kirchenbücher der evangelischen Gemeinde in Schwedt einsehen, wo sich dann auch die noch fehlenden Einträge fanden. Die Familie war also konvertiert oder gemischtkonfessionell. Mit so einer Möglichkeit sollte man auch immer rechnen.

Natur!

Auch in anderer Hinsicht war mein Ausflug nach Schwedt ein voller Erfolg: Am Nachmittag konnte ich mich in der herrlichen Wiesen- und Hügellandschaft des Naturparks Unteres Odertal auf einer langen Wanderung wunderbar erholen.

Nach den Kirchenbüchern: Naturpark Unteres Odertal