Religiöses Siedlungswerk, KZ, Sowjetische Garnison

Kaum ein Ort in Brandenburg präsentiert sich so eindrücklich als aufgeschlagenes Geschichtsbuch wie die Friedensstadt in Glau, gelegen im Naturpark Nuthe-Nieplitz im Niederen Fläming, zwischen der Kleinstadt Trebbin und dem malerischen Schloss Blankensee.
Unter dem Eindruck der Katastrophe des ersten Weltkriegs gründete hier der Religions- und Sozialreformer Joseph Weißenberg (1855-1941) eine Siedlung auf der Grundlage seiner Friedens- und Glaubensideale.
Die Nationalsozialisten enteigneten den kirchlichen Verein, nutzten das Gelände militärisch und richteten eine Außenstelle des Konzentrationslagers Sachsenhausen ein.
Nach dem Krieg belegte die Rote Armee das Gelände. Nach der Wende und ihrem Abzug im Jahr 1994 gab sie es an die Johannische Kirche, den Rechtsnachfolger von Weißenbergs Verein, zurück.

Die Siedlung heute

Heute leben in der Friedensstadt rund 400 Menschen (>Website der Friedensstadt). Dabei dienen die spirituell geprägte Theologie des Gründers Joseph Weißenberg und ein Bewusstsein von sozialer und ökologischer Verantwortung als Grundlagen. Es gibt ein Solar-Feld, inklusives Wohnen, ein Heilsinstitut, einen Streichelzoo, Bildungs- und Kulturarbeit. Die 1936, kurz vor der Enteignung durch die Nazis, erbaute Schule wird als Gemeindezentrum genutzt.

Friedensstadt Glau: die ehemalige Schule, heute Gemeindezentrum

Gedenkort

Informationstafeln erzählen die vielfältige Geschichte des Ortes. Zwischen 1942 und 1945 wurden in den Baracken des Reichsarbeitsdienstes ca. 180 politisch oder religiös Verfolgte gefangengehalten.

Gras ist über die Fundamente von Carinhall gewachsen
Friedensstadt Glau: der Appellplatz der sowjetischen Garnison

Appellplatz

Die Betonfläche des Appellplatzes aus der Zeit der Sowjetischen Garnison ist heute von Bäumen durchbrochen. Die alten Gebäude an seinen Seiten werden als Lagerräume und Werkstätten genutzt. Von der Markthalle zeugt nur noch der Schriftzug.

Friedensstadt Glau: der Appellplatz 1994
Friedensstadt Glau: ehemalige Kaserne der sowjetischen Garnison
Friedensstadt Glau: die Markthalle der ehemaligen sowjetischen Garnison

Sonne

1931 entstand aus einer alten Pension das Gasthaus „Zur Sonne“ mit einem Saal für über 600 Menschen. In den Vierzigern feierte hier die Gestapo, später zeigten die Russen hier ihren Soldaten Propagandafilme. Heute sind Teile der großen Anlage ein Jugendzentrum der Kirche, andere einsturzgefährdet.

Friedensstadt Glau: ehemaliges Gasthaus "Zur Sonne"
Friedensstadt Glau: ehemaliges Gasthaus "Zur Sonne"

Wandern

Heute kann man in der Friedensstadt auch Urlaub machen, in Gästezimmern und Ferienwohnungen. Auf dem Gelände des benachbarten alten Truppenübungsplatzes der sowjetischen Garnison befinden sich das Naturparkzentrum Nuthe-Nieplitz und ein Wildgehege. So wie die Siedlung in den 1920ern eine Alternative bot zu den engen Mietskasernen der Metropole Berlin, ist die wunderschöne Landschaft des Flämings heute ideal zum Wandern und Entspannen. Aber immer mit der Geschichte im Gepäck.

Wandern im Naturpark Nuthe-Nieplitz